Veranstaltung: | Stadtparteitag GRÜNE Dresden 26. Oktober 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 6. Anträge |
Antragsteller*in: | Norbert Engemaier (KV Dresden) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 22.10.2024, 21:46 |
A17: Klimaziele ernst nehmen. Wärmeerzeugung und Abfallwirtschaft nachhaltig transformieren
Antragstext
Der Kreisverband Dresden möge beschließen:
- Wir halten am ambitionierten Ziel unseres Programms zur Kommunalwahl fest,
dass Dresden 2035 klimaneutral wird. Wir setzen uns daher dafür ein die
Transformation hin zur Klimaneutralität in allen Bereichen voranzubringen
und Prozesse die Treibhausgase emittieren durch klimaneutrale abzulösen.
- Wir fordern den Stadtrat daher auf, rasch das von der Verwaltung
vorgelegte zukunftsweisende Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept
(IEK) entsprechend dieses Antrages zu ändern und zu beschließen. Mit
großer Sorge und Unverständnis sehen wir die Absicht der CDU-Fraktion,
dieses Konzept nur als unverbindliche Potenzialanalyse zur Kenntnis zu
nehmen und sich damit davon zu verabschieden. Das Konzept beruht auf
bindenden Beschlüssen des Stadtrats, zuletzt vom Dezember 2022, in dem das
Ziel der Klimaneutralität Dresdens bis 2035 (Variantenplanung 2040)
festgelegt wurde. Wir appellieren an alle Entscheidungsträger die
Klimakrise ernst zu nehmen und Klimaschutz weiterhin als städtische
Aufgabe höchster Priorität betrachten.
- Projekten, welche absehbar zu CO2-Emissionen über 2035 hinausführen,
müssen daher einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Wir werden selbst
nachhaltige Vorschläge erarbeiten und einbringen um diese rechtzeitig zu
ersetzen.
- Die vorliegenden Pläne der Sachsen-Energie zur Errichtung einer
Verbrennungsanlage von Müll zur Energie- und Wärmeerzeugung, lehnen wir ab
und setzen uns dafür ein, die knappen Investitionsmittel der städtischen
Gesellschaften (insb. der Sachsen-Energie) für eine echte Transformation
zur klimaneutralen Wärmeversorgung zu nutzen.
- Dafür setzen wir uns insbesondere für die Planung, Genehmigung und
Errichtung von Großwärmepumpen mit einem möglichst breiten Spektrum an
Wärmequellen insb. Flusswärme, Luftwärme und Abwärme ggf. auch Geothermie
ein.
- Unsere bündnisgrüne Fraktion soll sich im Stadtrat dafür einsetzen, dass
die Stadt auch in der Rolle als Gesellschafter der Sachsen-Energie die
Dekarbonisierungsstrategie entsprechend anpasst und einhält und die sich
daraus ergebenden und darüber hinaus nötigen Maßnahmen im integrierten
Energie- und Klimakonzept ausreichend finanziert werden. In der Behandlung
des kommenden Abfallwirtschaftskonzepts sind die Zielstellung der
Müllvermeidung und einer echten Kreislaufwirtschaft maßgeblich zu
verfolgen.
- Wir fordern unsere Delegierten und Mitglieder in städtischen, Landes- und
Bundesarbeitsgemeinschaften sowie unsere Abgeordneten auf, an der
Anpassung und Verbesserung jener Gesetze und Regelungen mitzuwirken,
welche insb. den Zielfpfad zur Klimaneutralität gefährden, der Reduzierung
des Müllaufkommens entgegenstehen oder damit verbundene
Transformationsprozesse behindern. Dabei sind auch Regelungen zu
überprüfen, welche den Bau von großen Wärmepumpen behindern oder
verzögern. Wir setzen uns für eine aktive Debatte um die Notwendigkeit,
Chancen, Risiken und Umfang des Einsatzes von Wasserstoff ein.
- Wir werden unsere Öffentlichkeitsarbeit zum Ziel eines klimaneutralen
Dresdens intensivieren und die Vernetzung mit Verbänden und Aktivist:innen
stärken. Dresden braucht eine transparente und sachliche Debatte zu den
Wegen und Hürden auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Begründung
- Unser Ziel der Klimaneutralität 2035 ist ambitioniert aber (noch) nicht illusorisch. Die größten Bedenken bestehen hinsichtlich solcher Bereiche, in denen die Stadt mitunter wenig oder keinen Einfluss hat. Etwa dem Anteil klimaneutraler Antriebstechniken im Verkehrssektor dem Weiterbetrieb privater und gewerblicher Heizanlagen oder dem Konsumsektor. Umso dringlicher ist es, in jenen Bereichen engagiert und konstruktiv voranzugehen, die wir beeinflussen können.
- Der Vorstoß der CDU wäre eine Katastrophe für die städtischen Klimabemühungen. Er würde deren Finanzierung in Frage stellen und uns weit hinter die Klimaziele von Dresden Zero zurückwerfen. Deren Antrag ist hier zu finden: https://ratsinfo.dresden.de/getfile.asp?id=775927&type=do. In der Beschlussfassung zu einem CDU Antrag wurde noch am 30. Januar 2020 der Klimaschutz von jener selbst als Aufgabe höchster Priorität eingeordnet. Zu diesem Beschluss muss auch eine CDU stehen.
- Viele unserer Investitionen bestimmen nicht nur den CO2-Ausstoß bis 2035 sondern haben klimarelevante Auswirkungen darüber hinaus. Wir müssen das Klimaziel bei jeder Ersatzinvestition, bei jeder Sanierung und vor allem bei jedem Neubau berücksichtigen. Heizungsanlagen sind in Deutschland durchschnittlich über 13 Jahre alt. PKW über 10 Jahre. Wo wir jetzt noch CO2-emittierende Lösungen einsetzen, schaffen wir damit einen hohen Investitionsbedarf schon innerhalb der nächsten 10 Jahre.
- „Ring 30“, die geplante Müllverbrennungsanlage der Sachsen-Energie, soll laut Zeitungsberichten 320 Millionen EUR an Investitionsmitteln kosten. Anlagen dieser Art laufen mindestens 20 Jahre, meist über 30. Die Anlage wird laut Plänen jährlich 120.000 Tonnen zu Ersatzbrennstoff aufbereiteten Müll verbrennen. Dies bedeutet 200.000 bis 260.000 Tonnen CO2-Emissionen [CO2-Emissionsfaktor laut https://link.springer.com/article/10.1007/s00506-018-0466-8/tables/4], von denen maximal die Hälfte biogenen Ursprungs wären und damit keine Emissionszertifikate erfordern würden. Sachsen-Energie hat angegeben, dass die Anlage 120.000 Tonnen CO2 einspare – vermutlich im Vergleich zur Erdgas oder Ölverbrennung – allerdings war diese Rechnung für uns nicht nachvollziehbar, da Erdgas allenfalls einen marginal niedrigeren Emissionsfaktor hat.
Für „Ring 30“ ist bisher auch keine Anlage zur Abscheidung des CO2 vorgesehen. Selbst wenn die Probleme und Fragen der Verwendung oder Speicherung des CO2 (zum Beispiel in fester Form: https://www.umsicht.fraunhofer.de/de/carbonmanagement/co2-baustoffe.html) gelöst wären, stehen die Chancen für eine spätere Realisierung für „Ring 30“ derzeit äußerst schlecht. Bisherige technische Verfahren erfordern einen so erheblichen Energieeinsatz, dass die erhoffte Leistung für das Fernwärmenetz ausbleiben würde.
So lange wie „Ring 30“ arbeiten wird, wird Dresden nicht klimaneutral.
Für eine vollständige Dekarbonisierung der Stadt und städtischen Gesellschaften würden wir uns mit der Anlage auch ein langfristiges und erhebliches Hindernis errichten. Der Vorschlag des Integrierten Energie- und Klimakonzeptes nennt als Ziel bis 2035 eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 90% ausgehend von den Emssionen des Jahres 1990. [Quelle: https://ratsinfo.dresden.de/vo0050.asp?__kvonr=26325] Die verbliebenen 10% wären etwa 650.000 Tonnen CO2 jährlich. Davon würden demnach 100.000 bis 130.000 Tonnen allein auf die Müllverbrennung entfallen. Eine frühzeitigere Stilllegung oder ein Umbau einer erst 5 Jahre alten Anlage ist sowohl technisch als auch ökonomisch schwer vorstellbar. Warum also nicht Alternativen betrachten und verfolgen?
- Alle Städte mit Fernwärmenetzen arbeiten derzeit an Transformationspfaden für ihre Wärmeerzeugung. Nur sehr wenige davon gehen den Weg einer Müllverbrennungsanlage. Recherchen in der AG Klima und Energie zeigten zahlreiche Wärmepumpenprojekte vergleichbarer Städte. Diese sind zum Teil bereits in Betrieb, der Inbetriebnahme oder im Bau. Viele sind weiter in der Planung und fertiggestellte Wärmepumpenprojekte Vorbilder für Initiativen zur Planung und Errichtung ähnlicher Anlagen. [Quellen: Flusswärmepumpe in Mannheim: https://www.mvv.de/ueber-uns/unternehmensgruppe/mvv-umwelt/aktuelle-projekte/mvv-flusswaermepumpe, https://www.energieforschung.de/aktuelles/news/2023/flusswaermepumpe-liefert-klimafreundliche-fernwaerme, Flusswärmepumpe in Esbjerg: https://www.en-former.com/daenisches-esbjerg-setzt-auf-waermepumpen/, Luftwärmepumpe in Patola: https://www.energie-experten.org/news/man-liefert-weltweit-groesste-luftwaermepumpe-nach-finnland, Wärmeplan Rostocks: https://rathaus.rostock.de/de/umwelt_gesellschaft/klimaschutzleitstelle/wa-ermeplan/312421] Selbst wenn man die (nicht nachvollziehbare) THG-Reduktionsthese der Sachsen-Energie zugrunde legt, erreichen jene Wärmepumpen um Faktor 2 bis 5 bessere THG-Reduktionsmengen je investiertem Euro. [„Ring 30“ spart nach den nicht nachvollziehbaren Berechnungen der Sachsen-Energie je investierten 2666 EUR eine Tonne CO2 je Jahr. Die geplante Rostocker Flusswärmepumpe Unterwarnow benötigt dafür nur 783 EUR; die von der Sachsen-Energie geplante Wärmepumpe an der Weißeritz 1168 EUR je jährlich eingesparter Tonne CO2] Zudem haben Wärmepumpen nicht das Preisrisiko für steigende CO2-Zertifikatspreise. Sie hängen allerdings zweifelsohne vom Erfolg der Energiewende in der Stromerzeugung ab.
Warum nicht wie andere Städte auf Wärmepumpen setzen?
Die größte Abhängigkeit der Müllverbrennungsanlage ist aber, zweifelsohne die Abhängigkeit von Müll. Zwischenzeitlich war zu vernehmen, dass die Anlage nicht nur aufbereiteten Restmüll sondern auch gewerblichen Müll in erheblichem Umfang verbrennen soll. Die Anlage setzt aber nicht nur darauf, dass Müll weiter in immer größerem Umfang anfällt und aus ganz Sachsen nach Dresden transportiert wird. Sie setzt vor allem auch darauf, dass der Müll weiterhin große Anteile mit hohem Brennwert hat. Wie sich das mit unserem Ziel vereinbaren lässt, gerade die energiereichen Verpackungs- und Bioanteile im Restmüll zu verringern, erscheint höchst unklar.
Die Müllverbrennungsanlage ist eine Wette gegen Müllvermeidung und Kreislaufwirtschaft!
- Eine Abkehr von der Müllverbrennungsanlage erfordert mehrere Änderung in städtischen Strategien und Konzepten. Aktuell ist das integrierte Energie- und Klimakonzept in der Beratung der Stadtratsgremien. [Siehe https://ratsinfo.dresden.de/vo0050.asp?__kvonr=26325, siehe insbesondere Beschlusspunkt 3d] Dort ist die Müllverbrennungsanlage als investitionsintensivste Einzelmaßnahme enthalten und muss entsprechend ersetzt und die CO2-Prognose entsprechend angepasst werden. Das Klimakonzept enthält diese Anlage aber nur, weil diese in der Dekarbonisierungsstrategie der Sachsen-Energie enthalten ist. Diese nahm der Stadtrat zur Kenntnis, beschloss aber schon damals eine Ausrichtung am Klimaziel gemäß „Dresden-Zero“. Bisher ist die Sachsen-Energie aber nicht aktiv geworden selbst den Widerspruch zwischen den CO2-Emissionen der geplanten Anlage und dem Ratsbeschluss zur Dekarbonisierungsstrategie aufzulösen. [Siehe https://ratsinfo.dresden.de/vo0050.asp?__kvonr=25740, siehe insbesondere Beschlusspunkte 3 und 4.] Daher ist es am Stadtrat auch diesen Widerspruch selbst aufzulösen.
Nur unsere bündnisgrüne Fraktion hat ein Interesse daran, die Widersprüche der Dekarbonisierungsstrategie aufzulösen und die Verbindlichkeit des Klimakonzeptes zu sichern!
Die baldige Vorlage des Abfallwirtschaftskonzeptes und auch der städtische Haushalt bieten weitere Möglichkeiten darauf hinzuwirken, dass eine Müllverbrennung in diesem Umfang eben nicht unvermeidbar ist. Die Durchsetzung einer Abgabe auf Einwegverpackungen und andere Maßnahmen des Wahlprogramms werden auch nicht ohne große Widerstände im Rat durchzusetzen seien. Unsere bündnisgrüne Fraktion verdient hier unsere volle Unterstützung.
- Der Erfolg der Energiewende, die Regeln nach denen Müll verwertet werden kann und muss oder ob die Kommune überhaupt Zugriff auf die Steuerung gewerblichen Mülls hat, wird nicht in Dresden maßgeblich bestimmt. Wir brauchen Prozesse, um im Bundestagswahlprogramm und in geringerem Maße auf Landesebene die Ziele der Kreislaufwirtschaft, der Müllvermeidung und einer gelungenen Energiewende im Energie- und Wärmesektor voranzutreiben.
Kommunen müssen auch gewerblichen Müll steuern und dessen stoffliche Verwertung sichern können!
- Auch in der Öffentlichkeit war unsere kritische Position zur Müllverbrennung kaum wahrnehmbar und erheblichen Angriffen ausgesetzt. Die Widersprüche aufzulösen und eine klare Linie zu vertreten kann uns hier erheblich weiterhelfen. Wir müssen aber jetzt vorangehen und unser Idealbild vorstellen. Wenn die Anlage erst genehmigt und gebaut ist, ist Kritik unsagbar schwerer.
Vielen Dank für die Mitwirkung am Antrag, wertvolle Kritik und Hilfe gehen an die AG Klima und insbesondere: Jan Schmitz, Wolfgang Deppe, Erik Heilmann, Udo Forstmann, Claudia Creutzburg, Klaus Gaber, Martin Fallant, Ulrike Caspary, Eva Jähnigen und all jene, die auf den letzten Metern noch Feedback gaben und den Antrag dadurch ermöglichten.
Änderungsanträge
- Ä1 (Dr. Wolfgang Deppe (bündnisgrüne Stadtratsfraktion), Eingereicht)